Wettbewerbserfolg: Rathaus, Rot am See

24.04.2018


Architekt Beck gewinnt Mehrfachbeauftragung für die Modernisierung des Rathaus-Ensembles in Rot am See.

Städtebaulicher Ansatz, Außenanlagen

In dem von uns vorgeschlagenen Entwurf werden die Anforderungen an die Verbesserung der Funktionsbereiche des Rathauses im Rathaus oder durch unmittelbare Erweiterungen gelöst. Das Postgebäude könnte erhalten werden aber aus städtebaulicher Hinsicht wird ein Abriss dringend empfohlen. Durch das Entfernen der alten Post wird die städtebauliche Situation so verbessert, dass das Rathausensemble in seiner Eigenschaft als das wichtigste öffentliche Gebäude der Gemeinde, stadträumlich herausgestellt wird. Die damit verbundenen Vorzüge lassen sich insbesondere im nordwestlichen Bereich des Areals beobachten, wo das Postgebäude und das Bürgerhaus bislang unvermittelt aneinanderstoßen und sowohl die unterschiedliche Formensprache als auch die Gebäudestruktur in einem empfindlich engen Verhältnis zueinanderstehen. Durch den Abriss des ehemaligen Postgebäudes wird zudem der Rathausplatz um eine weitere Ebene erweitert und entlang der Ecke der Raiffeisenstraße werden die durch den Neubau auf der Westseite wegfallenden Parkplätze kompensiert. Dadurch dass das alte Postgebäude erst abgerissen werden soll, wenn die größten Umbaumaßnahmen am Rathaus abgeschlossen sind, kann es währenddessen als Ausweichquartier dienen. Die Gestaltung der Außenanlagen wird erhalten und kann formal auf dem Areal der ehemaligen Post fortgesetzt werden. Dies bedeutet mehr Parkplätze, mehr Grün und eine noch einmal erhöhte Qualität der bestehenden Außenanlagen.



Fassade erhalten oder ändern?

Eine zentrale Frage vor dem Entwurf war, ob die interessante Fassade aus den 1970er Jahren zu erhalten, zu verändern oder zu ersetzen sei. Farbe und Gestaltung aus der damaligen Zeit erlebten in den 1990er Jahren eine erste Ergänzung und Überarbeitung. Die originale Wirkung lässt sich nicht wiederherstellen, ein dritter sichtbarer Eingriff sollte daher nicht erfolgen, weshalb der vorliegende Entwurf die bestehende Bausubstanz soweit ergänzt und überarbeitet, dass nun wieder eine vollständige formale Einheit entsteht. Der Abbruch der Post und die damit einhergehende größere Freistellung und Sichtbarkeit von einer bislang nicht beachteten Gebäudeansicht, lassen dies ebenfalls notwendig erscheinen.

Zentraler Entwurfsgedanke: Völlige Barrierefreiheit

Ein zentraler Entwurfsgedanke war es das bestehende Rathaus vollständig barrierefrei zu gestalten. Dies war aufgrund der unterschiedlichen Geschossebenen innerhalb der Geschosse nicht einfach zu lösen. Der bestehende Treppenkern wird zu einem notwendigen Treppenhaus umgebaut, das alle drei Geschosse erreicht. Eine weitere entscheidende Maßnahme ist die Neupositionierung des Aufzugs. An seinem neuen Standort erreicht er nun alle Ebenen und Zwischenebenen vom Untergeschoss bis ins Obergeschoss. Alle Geschosse und Ebenen sind damit barrierefrei erreichbar. Gleichzeitig wird der Aktentransport durch das gesamte Gebäude erheblich vereinfacht. Die damit entstehende völlige Barrierefreiheit erzeugt ein öffentliches Gebäude auf der Höhe der Zeit und macht es zukunftsfähig und bürgernah.

Funktionsbereiche

Der Haupteingangsbereich wird durch eine neue Glasfassade mit eingeschobenem Windfang neu gefasst. Dieser führt mittels Automatiktüren in das Rathausfoyer dessen charakteristische Treppenanlage mit Brunnen erhalten und in ihrer Wirkung durch das Entfernen unnötiger Stellage und der abgehängten Decken verstärkt wird. Die vorhandenen Kunstwerke werden gleichfalls erhalten und können durch die Bereinigung der Räume besser wirken. Die Bücherei wird durch eine neue rechtwinklige Raumhülle um 53% vergrößert.

Für das symbolische Kernstück des Rathauses, den Sitzungssaal (Ratssaal), schlagen wir eine Neuerrichtung vor, indem an der Westseite anstelle des alten Polizeipostens ein neuer Gebäudeteil angebaut wird. Dieser teilt sich durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Bürgerhaus dessen Foyer und Sanitärbereich. Insgesamt wird dadurch ein großzügiger und reizvoll belichteter Sitzungssaal möglich, in dem nun auch Zuschauer problemlos Platz finden können.

Der Sitzungssaal soll üblicherweise als Sitzungssaal bestuhlt bleiben, steht aber gleichwohl unmittelbar mit einem großen Lagerraum in Verbindung, in dem das Mobiliar vollständig Platz findet. Außerdem lässt sich der Sitzungssaal mit den Bürgerhaussälen so verbinden, dass größere Veranstaltungen auch unter Einbeziehung der neuen großen Teeküche stattfinden können. Die sich ergebenden Synergien stärken den besonders öffentlichen Charakter dieser im Gemeindeleben wichtigen Rathausbereiche. Durch das Verlegen des alten Sitzungssaals wird an seiner ehemaligen Position Platz frei für ein größeres Trauzimmer und ein Bürgerbüro (Einwohnermeldeamt). An dieser Stelle entsteht auch eine Wartemöglichkeit, die bislang im Rathaus gefehlt hat. Das Bürgerbüro ist transparent und einsehbar, so dass Personen einfach erkennen können, wenn sie vor dem Büro zu warten haben.

Die energetisch begründete (s.u.), vollständig vertikale Neufassung der Außenhülle im Obergeschoss ermöglicht durch den Verzicht auf Schrägen, die Vergrößerung aller Büroräume nebst Besprechungs-, Aufenthalts-, Kopier- und Serverraum. Das Baurechtsamt profitiert zusätzlich durch einen rationaleren Raumzuschnitt.

Außenansicht

Neben der städtebaulichen Maßnahme zur Betonung des besonderen Stellenwerts des Rathauses für die Gemeinde, wurden alle funktionellen und technischen Verbesserungen mit einer Neubewertung der Architektursprache in Einklang gebracht. Einem zeitgemäßen Rathaus gebührt folglich eine bauliche Gestalt, die dies vermittelt. Die Modernisierungsmaßnahme nutzt die Außenhülle, um das aus formal sehr unterschiedlich ausgebildeten Baukörpern bestehende Ensemble zu harmonisieren. Die bestehende abgeschrägte Konstruktion wird durch eine geometrisch einfachere Holzrahmen-Bauweise mit begrüntem Flachdach ersetzt. So wird die an sich reizvolle bestehende Staffelung quaderförmiger Baukörper unterstrichen. Hinzu kommt die Betonung der oberen Baukörper durch eine filigrane Fassadenverkleidung aus unterschiedlich geformten Lamellen. Diese steht wiederum im Spannungsverhältnis zu den flächenwirksam verputzten Baukörpern und dem nach wie vor großzügig verglasten Erdgeschoss. Aufgrund dieser gezielten Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes wird das plastisch hervorgehobene Obergeschoss des Rathauses deutlicher sichtbar. Insgesamt wird durch die unterschiedliche gestalterische Prägung von Erd- und Obergeschoss eine deutlichere Differenzierung der Außenhülle erreicht. Mit Hilfe der Fassadenverkleidung wird das Rathaus als besonderes Gebäude mit repräsentativem Charakter gewürdigt; eine Eigenschaft, die bereits zu die Fassadengestaltung des ersten Bauabschnitts des Gebäudes mit den Mitteln und Vorstellungen ihrer Zeit geleistet hat.

Brandschutz und Fluchtwege

Der Bereich des Rathausfoyers und der Haupttreppe wird brandschutztechnisch von den umliegenden Räumen abgetrennt indem die Begrenzungswände entsprechend ertüchtigt (F90) und Brandschutztüren (T30RS) eingebaut werden. Im Erdgeschoss sind somit die Bücherei, Bürgerbüro (EMA) und Trauzimmer sowie der Westflügel mit Bürgerhaus und Sitzungssaal eigenständige Brandabschnitte. Im Obergeschoss sind der südliche L-förmige Bürotrakt und der nördliche Büroriegel brandschutztechnisch eigenständig und um den Abschnitt des Foyers herum mit F30-Wänden und T30RS-Türen abgeschirmt. Im Untergeschoss verläuft die Brandabschnittstrennung entlang des neuen Erschließungskerns mit notwendigem Treppenhaus und neuem Aufzug.

Die Entfluchtung erfolgt im ersten Rettungsweg über alle Geschosse konsequent durch das neue notwendige Treppenhaus in das Erdgeschoss, wo man durch den Flur des neuen Aufzugsraums, den Eingangsbereich des Bürgerhauses und direkte Fluchttüren in der Glasfassade des Traumzimmers und Bürgerbüros (EMA) ins Freie gelangen kann. Der zweite Rettungsweg führt durch entsprechend große Fenster im Obergeschoss und/oder Türen im Erdgeschoss nach Draußen; wo erforderlich, werden die Brüstungen herabgesetzt.

Konstruktion und energetische Modernisierung

Für den Erweiterungsbau im Westen des Erdgeschosses wird mit Steinwolle gedämmter Ziegel verwendet; wohingegen im Ostflügel hauptsächlich eine neue Pfosten-Riegel-Konstruktion für großflächige Belichtung sorgt. Im Obergeschoss wird zudem durch den Verzicht auf die Nageplattenbinder und die damit verbundene abgeschrägte Außenfläche eine vollständige energetische Modernisierung unter Einbeziehung sowohl der Dämmqualität als auch der Verringerung des zu beheizenden Volumens ermöglicht. Durch die Vergrößerung des Obergeschosses wird zudem das bisher außenliegende Tragwerk Teil des wärmeisolierten Innenraums. Die neue Konstruktion erfolgt dabei in Holzrahmenbauweise mit Steinwolledämmung. Die alten Asbestmaterialien werden entfernt. Außerdem ist vorgesehen, die bestehende Lüftung zu reparieren bzw. zu ergänzen und eine Anlage zur Wärmerückgewinnung einzubauen.



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