Bahnhofsareal, Schwäbisch Hall

Wettbewerb für die Bebauung des Bahnhofareals in Schwäbisch Hall.

Entwurfskonzept
Am Rande der Haller Innenstadt gelegen und durch eine steile Hangkante, die Steinbacher Straße und nicht zuletzt die Gleisanlagen in mehrfacher Hinsicht von ihr getrennt, liegt das als Ritterwiese bezeichnete Bahnhofsareal doch im Herzen des modernen Schwäbisch Halls. Betrachtet man die Stadt in ihren heutigen Ausdehnungen, schließt man die im 20. Jh. vorangebrachten Siedlungsgebiete ein, so bildet die Ritterwiese ein großes Areal zwischen den charakteristischen Anhöhen Halls und der Stadt am Kocher. Dass sich dieses Gebiet zunächst als stadträumlicher Rückraum erwiesen hat, der allenfalls für die Ansiedlung von Wirtschaftsgebäuden reizvoll sein könnte, bestätigt die Präsenz der Brauerei. Inzwischen wurde diese Annahme jedoch von der Wirklichkeit überholt – der Wirtschaftsstandort von kleinteiliger Wohnbebauung eingekreist. Diesem Sachverhalt und der daraus abgeleiteten Aufgabe, das Gebiet in seiner Scharnierfunktion zu entwickeln, trägt unser Entwurf auf verschiedenen Ebenen Rechnung: Eine große, zum Himmel hin offene und als Esplanade ausgebildete Achse überwindet die Trennung, indem sie wie eine Spange das neue Quartier über die Gleise und die steile Böschung hinweg mit der Kocherstadt verbindet; die Zwischenräume werden unter Einbeziehung bestehender Wege neu erschlossen und in ihrer Nutzung optimiert.

Das Areal wird von einer typologisch strukturierten Wohnbebauung geprägt: Stadthaus, Geschosswohnungsbau, Eckhäuser und Doppelhäuser am Übergang zur hangseitig bestehenden kleinteiligen Wohnbebauung wechseln sich ab und sind in ihrer Höhenentwicklung gestaffelt, so dass ein bewegter Straßenraum entsteht. Als Dachform wird für die innerhalb der Ringstraße liegenden Gebäude das Flachdach vorgeschlagen. Stellenweise wird dieses auch als Terrasse interpretiert, meist jedoch begrünt. Die entlang der Ringstraße verlaufende ‚Übergangsbebauung‘ ist mit Satteldächern versehen. Grundsätzlich ist die Dachform jedoch für alle Gebäude in einer weitergehenden Objektplanung näher zu bestimmen. Sie steht zur Disposition, da dadurch neben der typologischen Vielfalt auch eine gestalterische Verschiedenheit begünstigt wird, die den gesamten Entwurf als moderne Interpretation des historisch Gewachsenen in Bezug zur eindrucksvollen Altstadt Halls stellt.

Nutzungen
Vorwiegend Wohnbebauung. Unterschiedliche Typologien machen das Quartier für vielfältige Bevölkerungsgruppen attraktiv und erlauben die Entwicklung durch Bauträger, Baugruppen und genossenschaftliche Bauherrenmodelle gleichermaßen. Zudem gibt es Räume für Dienstleister (Nahversorgung) und Büros. Große Flächen sind als Grünzüge gestaltet und im Bereich des neu entstehenden Quartiersplatzes zu einem kleinen Park mit repräsentativer Treppenanlage geweitet. Ein Teil des von der BAG genutzten Turmkomplexes bleibt bestehen und wird einer neuen Nutzung zugeführt (z.B. Indoorplay). Der Turm wird als ‚modernes‘ Haller Turmmotiv erhalten. Der bisherige Gartenmarkt wird aufgrund seines mittelfristigen Fortbestands integriert.

Infrastruktur
Das Infrastrukturkonzept basiert auf dem Gedanken einer Entzerrung bei gleichzeitig neu geordneter Überlagerung und Strukturierung der Wegeführungen. Der Busverkehr wird vom bisherigen Bahnhofsvorplatz an die Steinbacher Straße verlegt. Dadurch wird das Areal entlastet und der Verkehr zugleich dorthin verlegt, wo er stattfindet und am besten in den Verkehrsfluss eingebunden ist. Das sich unter dem Bahnhof befindende Parkhaus bildet zur Steinbacher Straße eine vertikale Kante und ist zur Stadt hin geöffnet. Die steile Böschung wird abgetragen und ein baumgesäumter Fußweg ausgeformt, in den die Bushaltestellen integriert sind. Zwei Rufampeln an der Einmündung der Langen Straße sorgen für die Beruhigung des Verkehrs. Die vom Quartier Ritterwiese in die Stadt führende Schneise überwindet mit einer breiten Brücke die Steinbacher Straße und endet in einem repräsentativen Turm, der mit seiner Einbindung in das vorhandene Tunnelbauwerk die für die Stadt charakteristischen Höhenunterschiede inszeniert. Insgesamt bildet das Ensemble einen städtischen Raum, der der Katharinenvorstadt einen Rahmen gibt, der mit der jenseits der Gleise liegenden Stadt kommuniziert. Die Ebene des Bahnhaltepunkts dient dem Taxiverkehr und bietet Möglichkeiten des Aufenthalts für Kurzparker, angefahren wird sie ebenso wie die Tiefgarage aus beiden Richtungen. Aus ebenfalls beiden Richtungen führen weiterhin Fußwege zum Bahnhaltepunkt. Die Kreuzung zur Neuen Reifensteige wird durch einen Kreisverkehr ersetzt.

Parkierung
Der Höhenunterschied zur Steinbacher Straße wird für ein dreigeschossiges Parkhaus mit mehr als 300 Parkplätzen genutzt. Im Quartier Ritterwiese sind unter den größeren Blöcken zweigeschossige Tiefgaragen angelegt. Auf oberirdische Parkbauwerke wird zu Gunsten eines modernen Stadtbildes verzichtet. Das gesamte Quartier wird außerdem mit einer sehr lockeren, grünzäsierten Folge straßenbegleitenden Parkens ergänzt.

Bahnhofsvorplatz
Die bestehenden Gebäude werden abgerissen. Stattdessen entstehen neue Punkthäuser, die mit einem modular spielenden Grundriss unterschiedliche Nutzungen aufnehmen können. Als Baukörper bilden sie einen Filter für das neue Quartier und von der Stadtseite aus betrachtet einen Hintergrund, der die Längsausrichtung des Bahndamms aufgreift und in der Ansicht von der gegenüberliegenden Stadtseite in Verbindung mit dem neuen Quartier spürbar macht. Der neue Bahnhofsvorplatz und insbesondere die Punkthäuser korrelieren mit dem nunmehr geweiteten urbanen Raum entlang der Steinbacher Straße. Die Stadt hört hier nicht mehr auf, sondern wird durch den als Gebäudekante urban gefassten Höhenunterschied in ihrem Stadtraum erweitert. Der bisherige Rand der Stadt wird zu einem kommunikativen Filter; die Nutzungsüberlagerungen verzahnen die Katharinenvorstadt mit der Ritterwiese auch funktional.

Gebäude und Architektur
Das Bauensemble ist typologisch durchmischt und schließt Gebäude in sozialer Trägerschaft ein. Die Dachform ist ebenso wie die Formensprache innerhalb der räumlichen Vorgaben frei wählbar. Als verbindendes Element wird die Bauhöhe auf zwei bis vier Geschosse begrenzt. Hinzu kommt, dass die Gebäudestrukturen an den für die Binnenbeziehungen des Quartiers repräsentativen Stellen dem geschwungenen Straßenverlauf durch Abrunden der Ecken angepasst sind, während sie zur umgebenden gewerblichen Bebauung harte Kanten bilden. Die Ringstraße stellt nach Süden eine Grenze dar und ist in der Formulierung der Baustruktur als Rücken charakterisiert. Im Westen und Osten ‚schlägt‘ die Bebauung jedoch über in eine allmählich kleinteiliger werdende Bebauung, die einen Bezug zur bestehenden Siedlung Reifenhof bildet. An den Gebäuden entlang der Schienen, der Ritterstraße und Ringstraße werden passive Schallschutzmaßnahmen ergriffen.

Frei- und Grünanlagen
Als wesentliches Element im Entwurf sind die Grünbereiche in ihrer Körnigkeit und Textur differenziert. Zentraler Bestandteil ist der im Norden der Ritterwiese entstehende neue Platz mit seiner geschwungenen Treppenanlage. Dieser repräsentative Punkt leitet eine Bewegung ein, die aus dem Herzen des Quartiersplatzes von der Ebene des neuen Quartiers in die Esplanade führt, die letztlich in ein neues Turmgebäude mündet. Entlang der Esplanade werden der Gleiskörper und der ehemalige Bahnhofsvorplatz mit seinen neuen Lofthäusern quer erschlossen; zwischen den Schienen steht zugleich als begleitende Attraktion ein neuartiger Raum für Kunst zur Verfügung. Die Themen Niveauunterschied, Enge und Weite bilden die Konstante.

Treppen
Das für Hall typische Treppenthema wird als Gliederungsmerkmal aufgegriffen: entlang der neuen Achse in die Stadt bilden sie Anfangs- und Endpunkte und fädeln die dazwischen liegenden Räume auf. Alle Treppenanlagen sind als Längstreppen gestaltet und mit Aufzügen ausgestattet, so dass jederzeit ein barrierefreier Zugang gewährleistet ist.


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